Die Wirkung von medizinischem Cannabis bei Fibromyalgie

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28 Oct 2025

Die Wirkung von medizinischem Cannabis bei Fibromyalgie

Fibromyalgie stellt für viele Betroffene eine große Herausforderung im Alltag dar: Anhaltende Schmerzen, Erschöpfung und Schlafprobleme beeinträchtigen die Lebensqualität oft erheblich. Da herkömmliche Therapien nicht immer die gewünschten Ergebnisse bringen, rückt zunehmend auch medizinisches Cannabis als mögliche ergänzende Behandlungsoption in den Fokus.

Die wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet steckt noch in den Anfängen, doch erste Studien und Erfahrungsberichte liefern Hinweise auf potenzielle Effekte. Was ist bislang über den Einsatz von Cannabis bei Fibromyalgie bekannt – und wo liegen die Grenzen?

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Fibromyalgie ist eine chronische Schmerzerkrankung mit weit verbreiteten Muskel- und Gelenkschmerzen, oft begleitet von Müdigkeit, Schlafstörungen und depressiven Verstimmungen.
  • Die Ursachen sind bislang nicht abschließend geklärt. Diskutiert werden u. a. eine gestörte Schmerzverarbeitung, genetische Faktoren oder traumatische Erlebnisse.

  • Konventionelle Schmerzmittel zeigen bei einigen Betroffenen nur begrenzte Wirkung und können mit Nebenwirkungen verbunden sein.
  • Medizinisches Cannabis wird als mögliche ergänzende Option bei chronischen Schmerzen wie Fibromyalgie erforscht – vor allem in Fällen, in denen andere Therapien unzureichend anschlagen.
  • Erste Studien deuten auf mögliche Effekte auf Schmerzen, Schlaf und Stimmung hin. Eine abschließende Bewertung ist jedoch aufgrund begrenzter und teils uneinheitlicher Daten noch nicht möglich.
  • CBD-Produkte mit niedrigem THC-Gehalt (< 0,3 %) werden von einigen Betroffenen unterstützend genutzt. Die Erfahrungen sind individuell und ersetzen keine ärztliche Beratung.
  • Weiterhin besteht Forschungsbedarf, insbesondere zu langfristiger Sicherheit, Wirkung und Placebo-kontrollierten Studien.

Was ist Fibromyalgie oder auch “Weichteilrheuma”?

Fibromyalgie ist eine chronische Schmerzerkrankung, bei der Patient:innen über Schmerzen im ganzen Körper klagen. Am stärksten betroffen sind häufig

  • Muskelregionen
  • oder Gelenkregionen.

Die tiefen Muskelschmerzen können sich dabei in verschiedenen Körperregionen befinden, aber auch die Wirbelsäule kann betroffen sein. Die Fibromyalgie hat keine Verletzungen oder Veränderungen der Muskeln oder Gelenke zur Ursache. Was genau zu den Schmerzen führt, ist medizinisch noch nicht vollständig bekannt.

Als Möglichkeiten werden

  • eine gestörte Schmerzverarbeitung,
  • traumatische Erlebnisse,
  • genetische Veränderungen
  • oder veränderte Nervenfasern in Betracht gezogen.

Neben den Schmerzen zählen zu den Begleitsymptomen

  • Müdigkeit,
  • Schlafprobleme
  • und kognitive Beeinträchtigungen.
In Europa sind 4,7% der Bevölkerung betroffen, weltweit sind es 2,7%.

Diese Erkrankung ist für die Betroffenen besonders belastend, da sie im Alltags- und Berufsleben eingeschränkt sind und oft lange Zeit bis zur finalen Diagnosestellung vergeht. Etwa 80 Prozent der Personen mit Fibromyalgie werden zusätzlich mit einer komorbiden Depression diagnostiziert. Daher ist eine Behandlung zur Linderung der Symptome besonders wichtig.

Bei der aktuellen Standardbehandlung mit schmerzlindernden Medikamenten (z.B. Opioide) berichten viele Patient:innen keine Besserung und ein Fortsetzen des Leidens. Zudem kommt, dass diese medikamentöse Behandlung unerwünschte Nebenwirkungen mit sich bringen kann, die ebenso belastend sein können.

Daher suchen Forscher:innen seit Jahren nach alternativen Methoden, um eine Besserung der Symptome zu erreichen. In diesem Rahmen wurde medizinisches Cannabis als Behandlungsmöglichkeit in Erwägung gezogen. Zudem lässt die aktuelle Forschung vermuten, dass bei der Erkrankung ein klinischer Endocannabinoid-Mangel eine Rolle spielt. Medizinisches Cannabis stellt außerdem eine attraktive Behandlungsmethode dar, da die Wahrscheinlichkeit, eine Abhängigkeit zu entwickeln, deutlich geringer ist.

Forschung zu medizinischem Cannabis bei Fibromyalgie

In den letzten Jahren ist die Medizin immer offener gegenüber der Verwendung von medizinischem Cannabis geworden. Vor allem bei Erkrankungen, bei denen die Standardtherapie keine Symptomlinderung erzielt. Verschiedene Studien untersuchten die Wirksamkeit von medizinischem Cannabis bei Patient:Innen mit Fibromyalgie.

Aktuelle Studienlage zur Untersuchung der Wirksamkeit von medizinischem Cannabis bei Fibromyalgie

Studie 1:

Eine Studie aus dem Jahr 2020 von Valeria Giorgi untersuchte zusätzlich zur Wirksamkeit von medizinischem Cannabis zur Behandlung von Fibromyalgie noch die Beständigkeit der Symptomlinderung bei anhaltender Medikation. Insgesamt wurden 102 Patient:Innen über einen Zeitraum von 6 Monaten behandelt.

Es handelte sich hierbei um eine Beobachtungsstudie mit verschiedenen Untersuchungskriterien, darunter verschiedene Fragebögen zur Erfassung

  • des täglichen Schmerzempfindens,
  • der grundsätzliche Fibromyalgie-Symptome,
  • Müdigkeit,
  • Schlafqualität
  • und die Stimmung der Patient:Innen.

Die Symptome wurden in 8-wöchigen Intervallen überprüft. Dabei wurden zusätzlich Nebenwirkungen der Behandlung erfasst. Ein Drittel der Patient:Innen berichtete von leichten Nebenwirkungen wie

  • trockenem Mund,
  • Schwindel
  • und Müdigkeit.

Was zeigt die Studie?

Durch die Einnahme von medizinischem Cannabis konnte eine signifikante Linderung der Fibromyalgie-Symptome erzielt werden. Zusätzlich wurde die Schlafqualität stark verbessert und depressive Symptome verringert. Insbesondere bei Patient:Innen, die vorher unter schmerzlindernder Medikation keine Symptomlinderung erfuhren, zeigten eine hohe Motivation bei der Behandlung mit medizinischem Cannabis. Das spricht vor allem dafür, dass dieses wirksam ist und als eine erstrebenswerte Alternative zu herkömmlichen Medikamenten darstellt.

Studie 2:

Eine weitere Studie, durchgeführt von Kevin Boehnke von der Universität Michigan, USA, untersuchte in einer Online-Befragung, inwiefern eine Substitution von Schmerzmitteln durch CBD bei Fibromyalgie effektiv ist. An dieser Befragung nahmen 878 Patient:Innen mit Fibromyalgie teil.

Dazu sollten außerdem unterschiedliche CBD-Produkte hinsichtlich ihrer Wirksamkeit untersucht werden:

  • Isolat - Das Produkt enthält nur CBD.
  • Hanf - Das Produkt hat einen THC-Anteil von mehr als 0,3%.
  • CBD-Cannabis - Das Produkt hat einen THC-Anteil von weniger als 0,3%.
  • Keine Präferenz - Kein präferiertes CBD-Produkt.

Was zeigt die Studie?

72% der Patient:Innen gaben in dieser Befragung an, ihre Schmerzmedikation durch CBD-Produkte zu ersetzen. Dabei gab die Mehrheit an, dass herkömmliche Schmerzmedikamente reduziert oder sogar abgesetzt werden konnten.

Zusätzlich konnte der allgemeine Gesundheitszustand durch die Einnahme von medizinischem Cannabis verbessert werden. Die Behandlung mit CBD-Produkten führte zu einer signifikant stärkeren Symptomlinderung als die Behandlung ohne CBD. Darüber hinaus erzielten Produkte mit einem zusätzlichen THC-Gehalt von unter 0,3% die größte Verbesserung der Symptome.

Fazit: Forschung zu der Behandlung mit medizinischem Cannabis bei Patient:Innen mit Fibromyalgie wird bereits seit einigen Jahren durchgeführt. Dabei hat sich gezeigt, dass sich einige der Hauptsymptome wie Schmerzen, Schlafprobleme und Depressivität durch das Medikament verbessern können. Somit gehört Fibromyalgie zu den Krankheiten, die mit Cannabis behandelt werden können.

Darüber hinaus stellt medizinisches Cannabis eine attraktive alternative Behandlungsmethode dar, die mit weitaus weniger Nebenwirkungen verbunden ist, als die Therapie mit herkömmlichen Schmerzmedikamenten. Durch die Häufigkeit und Einschränkungen, die mit der Krankheit einhergehen ist es besonders wichtig eine Entlastung für die Patient:innen zu finden.

Ausblick: Die Behandlung mit medizinischem Cannabis muss weiter tiefergehend erforscht werden und insbesondere die Nebenwirkungen genauer untersucht werden. Die bisherige Forschungslage basiert überwiegend auf Beobachtungsstudien mit Teilnehmenden, die bereits mit medizinischem Cannabis behandelt wurden. Es fehlt an Placebo-Kontroll-Studien, die mehrere äußere Faktoren auf die Therapie mit medizinischem Cannabis berücksichtigen. Nichtsdestotrotz ist es eine vielversprechende Behandlungsmethode für Patient:innen die in ihrem Leben durch die Symptomatik eingeschränkt sind und bei denen Standardmedikamente unzureichend wirken.

FAQ

Welche Cannabissorte bei Fibromyalgie?

Bei Fibromyalgie werden häufig Sorten mit ausgewogenem THC/CBD-Verhältnis wie Bedrocan, Bediol oder Pedanios 22/1 eingesetzt. Patient:innen berichten teils von unterstützender Wirkung auf Schmerzen oder Schlaf. Die Auswahl erfolgt individuell und ärztlich begleitet.

Wer verschreibt Cannabis bei chronischen Schmerzen?

Verschreibungen dürfen Fachärzt:innen oder Hausärzt:innen mit Zusatzqualifikation vornehmen – im Rahmen eines genehmigten Therapieversuchs nach §31 SGB V.

Quellenangaben

[1] Giorgi V, Bongiovanni S, Atzeni F, Marotto D, Salaffi F, Sarzi-Puttini P., (2020). Adding medical cannabis to standard analgesic treatment for fibromyalgia: a prospective observational study. Clinical Experiments Rheumatology 123(1), 53-59.

 

[2] Boehnke, K. F., Gagnier, J. J., Matallana, L., & Williams, D. A. (2021). Substituting cannabidiol for opioids and pain medications among individuals with fibromyalgia: a large online survey. The Journal of Pain, 22(11), 1418-1428.

Autor

Dr. Julian Wichmann

Cannabis-Doc bei Bloomwell

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